Migration in Afrika: Nicht jeder träumt von Europa

In der Fremde und doch in der Heimat:

Ein afrikanisches Immigrantenschicksal jenseits von Europa
Wenn der Kameruner Bernard Doungmo (42), Taxifahrer in Gabuns Hauptstadt Libreville, die Bilder der in Marokko gescheiterten Immigranten im Fernsehen sieht, überfallen ihn Trauer und Mitleid aber auch gleichzeitig Unverständnis. „Wieso“, fragt er, „sparen diese armen Menschen Tausende von Euros, um sich auf den Weg in solch ein ungewisses Schicksal zu machen? Mit dem gleichen Betrag kann man sich in Afrika eine Existenz aufbauen, vielleicht nicht unbedingt in seinem Heimatland, aber doch auf dem Kontinent“. Er weiß, wovon er spricht …
20 Februar 1982, ein Datum, das Bernard niemals vergessen wird. Er ist 19 Jahre alt und macht sich mit Hilfe eines Schleppers auf den Weg nach Gabun. En riesiges Land mit nur 1,2 Mio. Einwohnern, dort werden Arbeitskräfte gesucht, das weiß man in Kamerun, dessen eigener Markt schon gesättigt ist. Nach Europa will er nicht, er möchte in der Nähe der Heimat bleiben. 40.000 CFA (61 Euro) zahlt er dem Schlepper, der ihn und seine Kameraden zunächst auf eine Insel bringt, wo es nur Militärs gibt, sonst niemanden. In zwei Tagen würden sie dort mit einem Schiff abgeholt, heißt es. Das Warten dauert eine Woche, nur Maniok und Wasser als Verpflegung, dann kommt das „Schiff“, ein klappriges Holzboot mit weiteren Auswanderern. Drei Tage scheppern 45 Personen auf dem Wasser. Bernard, der vorher noch nie das Meer gesehen hat, hat fürchterliche Angst.
Am dritten Tag abends gegen 20 Uhr kommen sie in Libreville an. Sein Onkel Paul, der dort schon lange Jahre lebt, holt ihn ab, und dann machen sie einen Stadtspaziergang durch Libreville. „Ich kam mir vor, als wäre ich in Paris oder Amerika, alles war hier so anders, so modern, als wäre es ein Land der Weißen“, erzählt Bernard.
Am nächsten Morgen allerdings sieht das schon wieder anders aus: „Als ich überall Müll und Schmutz sah, was es bei uns in Kamerun in dem Maße nicht gibt, war ich schnell ernüchtert. In der ersten Woche ging ich nur ab und zu kurz vor die Tür, mehr traue ich mich nicht, weil ich ja keine Papiere hatte, bis dann schließlich mein Onkel mich mitnahm in seine Werkstatt, wo ich lernte, Metall zu verarbeiten, zu löten usw. Hier arbeitete ich nun vier Monate lang, ohne Bezahlung, Onkel Paul rückte nicht einen Cent raus, und ich konnte mich nicht dagegen auflehnen, denn er war der Ältere, den ich zu respektieren hatte, auch wenn er mich ausbeutete“.
China? Nein danke!
Ein Nachbar, der mitbekommen hat, dass Bernard fleißig und anspruchslos ist, erbarmt sich eines Tages seiner und schlägt ihm vor, sich bei der chinesischen Botschaft vorzustellen, die gerade im Bau befindlich ist. Dort suche man kräftige Männer. „Ich willigte ein, machte einen Einstellungstest und wurde angenommen. Wunderbar, das Leben konnte beginnen: Ich verdiente 60.000 CFA (91 Euro) im Monat, ein Vermögen in meinen Augen. Ich mietete ein kleines Zimmer für 15.000 CFA (22 Euro) monatlich und war überglücklich.
Der chinesische Polier war so begeistert von mir, dass er mir vorschlug, mich nach Beendigung der Arbeiten dort mit nach China zu nehmen. Hilfe, um Himmels Willen, nein! rief ich entrüstet. Es gab nämlich in Libreville einen chinesischen Studentenclub, in dem ich schon mal gewesen war, und da hatte mir einmal einer der Studenten gesagt: „Weißt du, bei uns gibt’s keine Schwarzen, wir sind alle Weiße. Wenn du da hinkommen würdest, würden die Leute schreiend davonlaufen, dich für einen Affen oder ein anderes gefährliches Tier halten!“ Deshalb flößte mir dieses gut gemeinte Jobangebot große Angst ein“.
Nach zwei Jahren ist die Botschaft errichtet, und Bernard muss sich einen neuen Job suchen. Leider gibt es keine anderen Baustellen derzeit, so dass er Schwierigkeiten hat, etwas Neues zu finden. Endlich stellt ihn eine LKW-Werkstatt ein, aber diesen Arbeitsplatz hat er nur ein halbes Jahr inne. Die gabunische Regierung erlässt ein Gesetz, dass vorrangig nur noch Gabuner eingestellt werden dürfen, er wird entlassen und ist wieder arbeitslos. „Es war eine harte Zeit, in der ich monatelang über mehrere Tage von einem einzigen trockenen Baguettebrot lebte. Eines Abends hatte ich kein Brot mehr, aber um eins zu kaufen, fehlten mir 3 Cent. Ich klopfte bei meinem Flurnachbarn, dem es finanziell ganz gut ging und bat ihn um diesen Betrag. Er schlug mir die Tür vor der Nase zu. Da erlebte ich zum ersten Mal im Leben, dass die innerafrikanische Solidarität nicht immer funktioniert, ich hatte angenommen, so etwas könne nur fern der Heimat, in Europa, geschehen“.
http://africa-live.de/index.php?option=com_content&task=view&id=6&Itemid=7

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