Tagesschau.de: Mali zwischen Krieg und Neubeginn

„Zurück auf Null – Schluss mit den Lügen“

Noch immer leisten Islamisten im Norden Malis erbitterte Gegenwehr. Doch die Übergangsregierung plant bereits Neuwahlen – auch auf Druck der internationalen Partner. Die Menschen in Mali haben ganz andere Sorgen, berichtet Alexander Göbel aus Bamako. Sie wünschen sich dauerhaft Frieden.

Von Alexander Göbel, ARD-Hörfunkstudio Rabat, zzt. Bamako

Menschen in der Stadt Bamako halten eine malische Flagge (Foto: AFP) Großansicht des Bildes Französische und malische Flaggen prägen das Bild in Bamako. In einem Bretterverschlag in Bamako sitzt Moussa über seiner Nähmaschine. Aus bunten Lederstreifen näht er ganz besondere Motorradsitzbezüge – es sind französische und malische Fahnen. Pro Woche gebe es mehr als 30 Bestellungen, sagt Moussa stolz. Er hofft, dass der Fahnen-Boom noch eine Weile anhält. Aber vor allem, dass es mit Mali endlich wieder aufwärts geht. „Wir wollen Frieden, und wir wollen Arbeit. Und wir wollen, dass Wahlen organisiert werden. Wenn die Politiker sich nicht endlich einigen, werden wir hier keine Ruhe haben. Und dann wird Mali weiter so dahin dümpeln“, sagt Moussa.

Internationaler Druck, Wahlen abzuhalten

Malis Übergangsregierung bekommt mächtig Druck von Frankreich und anderen internationalen Gebern, bald Präsidentschaftswahlen abzuhalten, möglichst schon Ende Juli. Viel zu früh, sagen Kritiker – bis zum Sommer könne es niemals verlässliche Wählerlisten geben, geschweige denn attraktive Kandidaten.

Audio: Zwischen Krieg und Neubeginn – Stunde Null in Mali

AudioAlexander Göbel, ARD-Hörfunkstudio Rabat13.03.2013 08:40 | 3’26

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Mit Angst im Bauch könne man unmöglich zur Wahl gehen, sagt der Hotelbesitzer Ibrahim Siby aus Sevaré: „Hier soll sich bloß kein Politiker her trauen und uns das Blaue vom Himmel versprechen, wir haben ganz andere Sorgen. Wir wollen Sicherheit, wir wollen Ruhe und Frieden, wir wollen morgens ohne Gefechtslärm aufwachen, ohne die Angst vor Selbstmordattentätern“. Natürlich brauche man Wahlen und auch die internationalen Partner. Aber momentan seien Wahlen das Letzte, was man wolle, meint Ibrahim Siby.

Die Wahlen werden kommen, aber noch misstrauen die Menschen der Politik. Kein Wunder: Massive Korruption, mafiöser Drogenhandel, die ungelöste Tuareg-Frage, Jobmangel und ein schlechtes Bildungs- und Gesundheitswesen  – die Rote Liste ist lang. „Die größten Feinde Malis sitzen eben in Bamako“, heißt es in Mali an jeder Ecke.

Mali als Selbstbedienungsladen missbraucht

Jahrzehntelang habe die politische Klasse Mali als Selbstbedienungsladen missbraucht und das Land in die Krise geführt, so Modibo Goita, Professor am Institut für Friedensforschung in Bamako. Der Militärputsch vor fast genau einem Jahr habe zwar den Vormarsch der Islamisten begünstigt. Aber er sei nur noch der letzte Tropfen gewesen, dann sei das marode Fass namens Mali endgültig übergelaufen.

„Man muss sich das mal vorstellen. Unteroffiziere konnten hier einfach so einen Militärputsch durchziehen. So schwach war dieses Land. Man muss an die Ursache ran: die schlechte Regierungsführung. Aber niemand hat die Reißleine gezogen. Der Westen hat immer nur zugesehen und applaudiert, alle Welt wollte in Mali einen demokratischen Vorzeigestaat sehen – aber den hat es nie gegeben“, sagt Professor Modibo Goita.

Chance auf eine zweite Staatsgründung

„Zurück auf Null, aufräumen, Schluss mit den Lügen und mit der Fassaden-Demokratie“, fordert der Tuareg-Aktivist Daouda Maiga. Mali sei tief gefallen – und habe nun doch noch die große Chance zu einer Art zweiten Staatsgründung. Und diese Chance dürfe Mali auf keinen Fall verspielen.
Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/mali610.html

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