Der (andere) deutsche Beitrag zum Krieg

30.01.2013
BAMAKO/BERLIN

(Eigener Bericht) – Berlin sagt neue Millionensummen für den Krieg in Mali zu. Wie das Auswärtige Amt bestätigt, wird die Bundesregierung rund 20 Millionen US-Dollar für die malischen Streitkräfte und für eine afrikanische Interventionstruppe bereitstellen. Es kommen weitere Unterstützungsleistungen in Form von Transportflügen hinzu. Gleichzeitig suche man „mit Nachdruck“ politisch Einfluss zu nehmen, kündigt Außenminister Guido Westerwelle an. Wie aus Berichten hervorgeht, haben westliche Staaten sowie enge Kooperationspartner Berlins spürbaren Anteil daran, dass islamistische Kräfte den Norden Malis unter ihre Kontrolle bringen konnten. So liefen vom US-Militär zu Zwecken des „Anti-Terror-Krieges“ trainierte malische Spezialeinheiten unmittelbar zu Beginn des Tuareg-Konflikts Anfang 2012 zu den Aufständischen über und stärkten sie entscheidend. Islamistische Milizen wurden von Qatar und Saudi-Arabien unterstützt, die beide eng mit der Bundesrepublik kooperieren. Sie betrieben im Norden Malis schon in den vergangenen Jahren den Aufbau islamistischer Strukturen, die nun teilweise die islamistischen Milizen stärkten. Beide kooperieren nicht nur ökonomisch, sondern etwa auch im Syrien-Krieg mit Deutschland und dem Westen.

Millionen fürs Militär
Mit neuen Zusagen in Höhe von rund 20 Millionen US-Dollar weitet die Bundesrepublik ihre Unterstützung für den Krieg in Mali aus. Wie das Auswärtige    Amt mitteilt, gehen die Mittel an die afrikanische Interventionstruppe AFISMA und an die malischen Streitkräfte. Diese sollen unter anderem ein Feldlazarett, Lastkraftwagen und Schutzwesten erhalten. Die Bundesregierung hat außerdem zugesagt, einen dritten Transportflieger vom Typ Transall nach Mali zu entsenden. Zwei Transall-Maschinen sind dort bereits stationiert, können jedoch dem Vernehmen nach aufgrund technischer Defekte nur eingeschränkt genutzt werden. Die dritte Transall soll einen zuverlässigen Betrieb zweier Flugzeuge gleichzeitig gewährleisten. Das Auswärtige Amt weist zudem darauf hin, dass Berlin seit Beginn der Krise in Mali humanitäre Hilfsgelder in einem Wert von mehr als 13,5 Millionen Euro bereitgestellt hat. Die deutsche Mitwirkung kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass – wie schon im Libyen-Krieg – Großbritannien weitaus enger mit Frankreich kooperiert als die Bundesrepublik: London will mehr als 300 Soldaten nach Mali schicken. Das ist aus bündnispolitischen Erwägungen von Bedeutung, da Paris und London Ende 2010 eine engere Militärkooperation gestartet haben, um ihre Kriegführung der Dominanz Berlins zu entziehen (german-foreign-policy.com berichtete [1]).
Wüstenkriegs-Spezialisten
Die Voraussetzungen zur Übernahme Nordmalis durch islamistische Milizen, gegen die sich der aktuelle Militäreinsatz mit deutscher Beteiligung richtet, sind zu einem guten Teil durch westliche Staaten und durch enge Kooperationspartner Berlins geschaffen worden. Weithin bekannt ist, dass der Libyen-Krieg Tausende Tuareg-Soldaten freisetzte, die zuvor im Dienst des libyschen Militärs gestanden hatten und Ende 2011 mit umfangreichen Waffenvorräten aus Libyen nach Mali flohen, wo sie dann rebellierten. Weniger bekannt ist, dass die Tuareg-Revolte von Militärs unterstützt wurde – von desertierten Soldaten der malischen Armee. Bei ihnen handelte es sich weithin um Mitglieder von Spezialeinheiten, die mehrere Jahre lang vom US-Militär trainiert und gerüstet worden waren, um in der Sahelzone und in der Sahara den „Anti-Terror-Krieg“ führen zu können. Die US-Strategen wählten für die Wüstenkriegs-Truppen vor allem Soldaten aus, denen sie eine besondere Erfahrung in der Sahara zuschrieben – Tuareg-Kämpfer. Drei der vier Elite-Einheiten Malis liefen sofort mit ihrem Waffenarsenal zu den Aufständischen über; die Reste der malischen Armee hatten gegen sie keine Chance.[2]
Islamistische Milizen
Auch die islamistischen Milizen selbst, die nun von Frankreichs Armee zurückgeschlagen werden, haben in beträchtlichem Maße von der Unterstützung durch Kooperationspartner Berlins profitiert. Dabei handelt es sich zum einen um Unterstützung aus Qatar. Das kleine, schwerreiche Emirat, in dem wie in Saudi-Arabien der Wahhabismus, die wohl reaktionärste Form des Islam, dominiert, unterhält laut Beobachtern schon seit den 1980er Jahren verschiedene „Religionsschulen und karitative Einrichtungen in Mali“.[3] Die qatarische Unterstützung wurde nach der Okkupation Nordmalis durch die islamistischen Milizen intensiviert: Das Emirat organisierte Hilfslieferungen, die offiziell besetzten Städten wie Gao zugute kamen, faktisch jedoch dazu dienten, die Okkupation abzufedern und den neuen islamistischen Herrschern Legitimation zu verschaffen. Über zusätzliche materielle Leistungen an die Milizen wird, Quellen aus den französischen Geheimdiensten folgend, weithin spekuliert. Tatsache ist, dass Qatar islamistische Milizen in Libyen unterstützt hat und noch heute in Syrien unterstützt. Auch politisch macht sich Doha für die nordmalischen Islamisten stark. Mit dem Einwand, Gewalt könne „das Problem nicht lösen“, kritisierte Qatars Premierminister die französische Militärintervention.[4] Der Mann, ein Mitglied des Diktatorenclans, wird an diesem Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz erwartet.
Nicht über Nacht gekommen
Unterstützend eingegriffen hat in Nordmali auch ein zweiter Kooperationspartner Berlins: Saudi-Arabien. Das Königreich ist – ganz wie Qatar – schon seit Jahren in Mali aktiv; Berichten zufolge werden jährlich hunderte Koranschüler aus dem westafrikanischen Land zum weiteren religiösen Studium nach Saudi-Arabien eingeladen. Der Islamismus, im Norden Malis ursprünglich weithin unbekannt, sei „nicht über Nacht in das Land gekommen“, berichtet ein Korrespondent: In den letzten zehn Jahren seien „im Sahel unzählige Moscheen“ errichtet worden, „in denen Kinder und Jugendliche von ausländischen Predigern auf den ‚rechten Weg‘ gebracht“ würden.[5] Auch Saudi-Arabien habe seit dem vergangenen Jahr – mit Qatar rivalisierend – islamistische Milizen in Nordmali unterstützt, den Berichten zufolge ebenfalls in Form sogenannter Hilfslieferungen. Laut Beobachtern geht sogar der offizielle Auslöser für die französische Intervention auf Machtkämpfe zwischen den örtlichen Parteigängern der beiden Kooperationspartner Berlin zurück. Demzufolge seien sich eine von Qatar und eine von Saudi-Arabien unterstützte Miliz in die Quere gekommen; eine von den beiden habe beschlossen, sich aus dem zwischen ihnen umkämpften Timbuktu zurückzuziehen und sich einen eigenen Herrschaftsbereich zu erobern – die Ortschaft Konna.[6] Ihren Überfall auf Konna nahm Paris zum Anlass, seine Truppen nach Mali zu entsenden.
In Syrien und in Mali
Qatar und Saudi-Arabien kooperieren schon lange mit dem Westen – auch mit der Bundesrepublik, die die Zusammenarbeit in den letzten Jahren deutlich intensiviert hat. Dies gilt keineswegs nur für die Wirtschaftszusammenarbeit – deutsche Firmen machen Milliardengeschäfte in den Diktaturen der Arabischen Halbinsel, zugleich investieren Staatsfonds vom Persischen Golf Milliardenbeträge in deutsche Konzerne [7] -, sondern auch für das Militär: Deutsche Waffenschmieden statten die Golfdiktaturen mit Kriegsgerät aller Art aus [8], die Bundeswehr trainiert gemeinsam mit Soldaten aus den Emiraten und Monarchien am Persischen Golf für den Krieg [9]. Qatar nahm am Libyen-Krieg, wie offizielle Stellen in Doha inzwischen bestätigt haben, mit einigen hundert Soldaten teil; Qatar und Saudi-Arabien sind maßgebliche Unterstützer der aufständischen Milizen in Syrien, für deren Sieg sich auch Berlin stark macht.[10] Beide Länder stützen dabei vorwiegend islamistische Milizen – ganz wie in Mali.
[1] s. dazu Die neue Entente Cordiale
[2] French Strikes in Mali Supplant Caution of U.S.; www.nytimes.com 13.01.2013
[3] Le Qatar a-t-il des intérêts au Mali? www.france24.com 21.01.2013
[4] Nord-Mali : les relations ambigües du Qatar avec les jihadistes; www.jeuneafrique.com 23.01.2013
[5] Wut auf die Berufsrevolutionäre; www.faz.net 22.01.2013
[6] Nord-Mali : les relations ambigües du Qatar avec les jihadistes; www.jeuneafrique.com 23.01.2013
[7] s. dazu Feudalinvestoren, Feudalinvestoren (II), Feudalinvestoren (III) und Die Qatar-Bahn
[8] s. dazu Stabile Verhältnisse, Hegemonialkampf am Golf (II) und Ein Stabilitätsfaktor
[9] s. dazu Deutsch-arabische Manöver, Mit Diktatoren in den Krieg und Militärpartner am Golf
[10] s. dazu Die kommenden Kräfte und Die Islamisierung der Rebellion

Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58522

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